Vegane Schwangerschaft aus der Sicht einer Schwangeren-Yoga Lehrerin

von | Mai 15, 2016

Bevor es nun losgeht hier ein kleiner Hinweis zum großen Hauptartikel über die vegane Schwangerschaft mit kompletter Übersicht über alle Nährstoffe. Diesen findest du hier.

Als bewusste und aufgeklärte Veganerin schwanger zu werden, finde ich persönlich unproblematisch. Der Körper ist an diese Ernährungsweise gewöhnt und die Schwangere weiß in der Regel auf was sie achten muss. Zudem sollte sie sich einem verständnisvollen und kompetenten Arzt anvertrauen, der sie während der Schwangerschaft in ihrer Entscheidung ergänzend unterstützt und berät. Das muss nicht zwingend ein/e Gynäkologe/Hebamme sein.

Der Druck seitens der Gesellschaft, in der Schwangerschaft Fleisch essen zu müssen, ist immens. Vergleichsweise häufig wird einem ein „Gläschen in Ehren“ aufgedrängt („das hätte angeblich noch keinem Kind geschadet“), nach der übrigen Ernährung fragt nur selten jemand, leider auch der Gynäkologe. Es wird davon ausgegangen, dass man solange man tierische Produkte zu sich nimmt, alles richtig macht, egal was man sonst nicht isst.

Als Veganer ist man sofort Projektionsfläche und als schwangere Veganerin erst Recht. Auf diese Information folgt immer eine Reaktion und es melden sich selbsternannte Experten zu Wort, nicht selten auch mit Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie z.B. „Körperverletzung Schutzbefohlener“, „Kind als Versuchsperson“ etc. (u. a. gelesen in den Kommentaren bei Spiegel online zum Thema „Vegan in der Schwangerschaft“).

Veganer sind super informiert was ihre Ernährung angeht

Ganz davon abgesehen, dass die Veganer, die ich persönlich kenne, sich wesentlich detaillierter mit dem Thema Ernährung befassen, als jeder Nicht-Veganer, bin ich davon überzeugt, dass die Entscheidung „vegan schwanger zu sein/werden“, eine sehr bewusste Entscheidung ist und dass jede Mutter, ob nun vegan oder nicht, sich fragen sollte: „Ernähre ich mich gesund genug?“.

Grundsätzlich sind mir in den Jahren meiner Yogaunterrichtstätigkeit zwei Veränderungen aufgefallen: Erstens ein signifikannter Anstieg an Teilnehmerinnen mit diagnostizierter Schwangerschaftsdiabetis. Zweitens sehr viele Frauen, denen gesagt wird, dass ihre Kinder zu groß würden, um sie auf natürlichem Weg zu gebären. Allerdings war keine der betroffenen Frauen vegetarisch/vegan.

Auch wenn ich bisher verhältnismäßig sehr viel weniger vegetarisch/vegane als omnivore Teilnehmerinnen in meinen Kursen hatte, gab es unter den vegetarisch/veganen Teilnehmerinnen stets unkomplizierte Schwangerschaften und Geburten. Alle Untersuchungen und auch die Apgar-Werte der Kinder nach der Geburt waren durchweg unauffällig.

In Gesprächen mit vegetarisch/veganen Teilnehmerinnen, fällt mir immer wieder auf, wie intensiv sich diese mit Ernährung beschäftigen. Sie leben in der Regel sehr im Einklang mit sich und ihrem Körper. Jede dieser Frauen strebt eine selbstbestimmte Geburt an, nicht selten in einem Geburtshaus oder sogar zu Hause. Auch in diesem Zusammenhang fällt häufig das Vorurteil „verantwortungslos“.

Fakt ist, dass beispielweise in den Niederlanden, um im europäischem Raum zu bleiben, jede dritte Geburt eine Hausgeburt ist. Eine Niederländische Studie belegt für Hausgeburten die gleiche Sicherheit, bei unkomplizierten Schwangerschaften.
Quelle: Severe adverse maternal outcomes among low risk women with planned home versus hospital births in the Netherlands: nationwide cohort study

Unterschiede zwischen veganen und omnivoren Babies?

Mir fällt bei Babies omnivorer Mütter auf, dass sie tatsächlich häufig größer und „speckiger“ sind, als die Babies vegetarisch/veganer Mütter. Tatsächlich geben die Schwangeren auf Nachfragen häufig zu, regelmäßig bzw. viel Fleisch zu verzehren.

Diese Koinzidenz trifft auch auf Schwangere mit der Diagnose „Schwangerschaftsdiabetis“ zu. Dies belegen die Ergebnisse der „Nurses Health Study II“– einer der weltweit bedeutendsten Gesundheitslängsschnittstudie, die u. a. besagt, dass das Risiko einer Schwangerschaftsdiabetes mit der Aufnahme tierischer Proteine, insbesondere aus roten Fleischsorten, steigt.
Quelle: Nurses‘ Health Study II

Tatsächlich empfehlen viele Schwangerschaftsratgeber eine vollwertige Ernährung mit Vollkornprodukten, Obst, Gemüse und Nüssen zur Vorbeugung von Schwangerschaftsdiabetes.

Auch ein „ungewöhnlich starkes Wachstum des Babys“ gehört zu den Symtomen einer Schwangerschaftsdiabetis (Weitere Symptome: starkes Durstgefühl, häufiger Harndrang, häufige Harnwegs- und Nierenentzündungen, Zucker im Urin, übermäßige Gewichtsveränderung, ungewöhnliche Müdigkeit, erhöhter Blutdruck, juckende Hautveränderungen, besonders viel Fruchtwasser).

Viele Frauen mit Schwangerschaftsdiabetis, kommen auf Anraten ihres behandelnden Arztes zum Yoga. Der ausgleichende und entspannende Effekt des Yoga kann einen positiven Einfluss auf den gesamten Organismus nehmen sowie die Selbstwahrnehmung der Frauen verbessern.

Schwangerenyoga, Balance zwischen Stress & Entspannung

Beim Schwangerenyoga geht es nicht um Kraftaufbau, sondern um Krafterhalt und um die Balance zwischen An- und Entspannung im gesamten Körpersystem.

Demnach setzt sich ein Kundalini Yoga Stunde für Schwangere zusammen aus:
– Aufwärmübungen
– Übungen für Kraft, Balance und Koordination
– Übungen für das Nerven-, Drüsen- und Herz-Kreislauf-System
– Übungen für Dehnung, Entspannung, Loslassen
– geburtsvorbereitenden Übungen mit Atemtechniken und Tönen
– einer langen tiefen Entspannung
– einer abschließenden Mantra- oder Atem-Meditation

Hier geht es nicht darum, die Gewohnheiten radikal zu verändern. Wer vorher viel Sport gemacht hat und einen durchtrainierten Körper hat, kann konditionell sicherlich auch mehr Sport in der Schwangerschaft und Rückbildungszeit machen, sollte aber den Fokus auf mehr Entspannung richten.

Fallbeispiel: Eine schwangere Teilnehmerin aus Lateinamerika liebte es, Salsa zu tanzen. An ihrem Muskeltonus und ihrer Körperhaltung und auch dem kleinen Babybauch konnte man gut erkennen, dass sie ein reines Muskelpaket war. Ich empfahl ihr mehrfach, einen etwas weicheren, fließenderen Stil zu tanzen und insgesamt mehr zu entspannen und zu dehnen, doch sie wollte nur Salsa tanzen, die ganze Schwangerschaft hindurch bis zu Geburt. Im Krankenhaus wurde festgestellt, dass ihr Beckenbodenmuskulatur zu fest war und das Baby musste per Kaiserschnitt geholt werden.

Insgesamt ist es die richtige Mischung aus gesunder, ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung an der frischen Luft, aber auch immer wieder Entspannung, die ich allen Frauen in der Schwangerschaft empfehle. Stress und Anspannung haben wir in der Regel schon genug in unserem Alltag: durch das allzeit erreichbar sein, die digitalen Medien, die nahezu ungefilterten Nachrichten, Bilder, Informationen etc.

Stress und Trauma werden im Becken gespeichert – in Muskulatur, Faszien, Organen und Drüsen. Für Schwangerschaft und Geburt ist es notwendig, diese Körperbereiche bewusst zu entspannen und ein Körpergefühl dafür zu entwickeln, ob das Becken angespannt oder entspannt ist. Es geht darum, diese vitalen Bereiche aus dem Unbewussten ins Bewusstsein zu holen.

Da ich die meisten Yoga Teilnehmerinnen rund um die Geburt begleite, bleibe ich im Austausch und bekomme in einigen Fällen bereits ein Feedback aus dem Wochenbett. Unter den regelmäßigen Teilnehmerinnen verzeichne ich fast ausschließlich gute Geburtserlebnisse, die dem Yoga, u.a. Fokus, Atmung, Meditation, zugeschrieben werden.

Allerdings erlebte ich einmal ein gegenteiliges Phänomen: es gab vor Jahren eine Gruppe Schwangere die außergewöhnlich symbiotisch zusammengewachsen ist (und auch heute noch eng befreundet ist). Die Frauen gingen nacheinander gut vorbereitet und durchaus optimistisch in die Geburt. Allerdings gab es bei der ersten Frau Komplikationen, die zu einem Notkaiserschnitt führten. Das muss eine Art unbewusstes Gruppentrauma ausgelöst haben, denn von etwa 10 Frauen haben nur zwei auf natürlichem Weg entbunden.

Tatsächlich kann ich beobachten, dass Worte eine unglaubliche Macht besitzen, sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung. (Un)bedachte Kommentare eines Arztes, wie z.B.: „Oha, das Kind wird aber groß…“ und/oder „Haben sie schon mal über einen Kaiserschnitt nachgedacht…“, verankern sich sofort im Unterbewusstsein.

Mithilfe eines Mantras (Man=Geist, tra= trainieren) und einer guten Affirmation, können wir beim Yoga das Unterbewusste reinigen. Die Stimme der werdenden Mutter wirkt unmittelbar auf das ungeborene Kind. Das ist während des Chantens (singen von Mantren) für die Mütter absolut spürbar – das Kind reagiert oder wird ganz still und lauscht.

Im Rückbildungsyoga kann ich ganz klar verzeichnen, dass die „Yogababies“ (deren Mütter regelmäßig beim Schwangerenyoga waren) wesentlich entspannter sind, als die Babies, die mit ihren Müttern erstmals zur Rückbildung kommen. Scheinbar erkennen die Yogababies sogar meine Stimme wieder, was ich sehr faszinierend finde.

Um herauszufinden, wie Stimmen und Geräusche auf das Ungeborene wirken und ob es tatsächlich schon im Mutterleib etwas lernt bzw. wie diese vorgeburtlichen Erlebnisse die Hirnentwicklung prägen, verglichen die Forscher der Universität Helsinki die Daten von 33 werdenden Mütter.
Quelle: Learning-induced neural plasticity of speech processing before birth

Gewichtzunahme/-abnahme, Stillen und Gesellschaft

Aufgrund der Medien gibt es einen auffälligen Trend zur „Supermom“, die alles auf die Reihe kriegt: Kind, Karriere, Küche, Körper und am besten gleich nach der Geburt wieder „size zero“ trägt. Mir ist es ganz wichtig, den Frauen mitzugeben, das alles seine Zeit braucht … Hier ist es wichtig zu beachten, dass das Kind in neun Monaten kommt und in neun Monaten geht (wenn man stillt, dauert es länger).

Was die pränatale Gewichtszunahme betrifft, so darf die Frau die Schwangerschaft weder als Freibrief zum hemmungslosen „Schlemmen für Zwei“ ausnutzen, noch sollte sie sich selbst kasteien. Statt doppelt so viel zu essen, ist es verantwortungsvoll ausgewogen und vollwertig zu essen.

Wer dann in der Stillzeit bereits übermäßig abnimmt, schadet seinem Kind, denn mit dem „Diäten“ werden Schlacken freigesetzt, die natürlich auch in der Muttermilch landen.

Hier wird die Diskussion um die „vegan Mom, als rücksichtlose Mutter“ ad absurdum geführt, da das schnelle Schlankwerden nach der Entbindung gesellschaftlich akzeptiert oder sogar vorausgesetzt, während die Tatsache, dass das Kind hierbei zum Fettabsaugen missbraucht wird, einfach ignoriert wird.

Ich habe meinen Sohn drei Jahre lang gestillt und meine Schwiegermutter ließ es sich nicht nehmen, mich bei jedem Treffen auf meinen Restbauch hinzuweisen. Ich kann nicht behaupten, dass mich diese Spitzen nicht verletzten, aber mir war klar, dass mein Bauch mein Tribut ist, und dass nichts und niemand auf dieser Welt mir diese Nähe zu meinem Kind nehmen konnte.

Viele Menschen reagieren auch auf langes Stillen mit Argwohn, behaupten man wäre als Mutter egoistisch und/oder würde sogar das Kind missbrauchen. Die Milchzähne heißen aber Milchzähne, u. a. weil sie in der ursprünglichen Laktationszeit bestehen und die kann bis zu sieben Jahren andauern.

Mit der Schulreife fallen die Milchzähne aus und das Kind ist bereit, seine Fokus weg vom geschützten Rahmen von Eltern/Großeltern oder bei uns auch Krippe/Kindergarten, hin zur Gesellschaft auszuweiten. Das ist in anderen Ländern immer noch ein ganz natürlicher Prozess.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass mein zweiter vegetarischer, langzeitgestillter Sohn zwar kein Riese ist, aber clever, geistreich, sehr sehnig, dynamisch, ausdauernd und laut klassischem Kinderarzt (und fünffachen Vater) auch kerngesund!

Ferner verfügt mein Sohn über ein unerschütterliches Urvertrauen und eine gute Selbsteinschätzung, was ich dem langen Stillen zu schreibe. Er hat solange bekommen was er brauchte, dass er heute ein eigenes Gefühl dafür hat, was gut für ihn ist.

Nach dem Abstillen nimmt die körperliche Kraft (Beckenboden) spürbar zu und auch die Figur normalisiert sich weitestgehend. Das ist aber immer auch eine Frage der Veranlagung. Eine wesentliche Gefahr beim Stillen sind die Heißhungerattacken und das Verlangen nach schnellverfügbaren Kohlenhydraten (klassisch: Franzbrötchen o.ä. bei Nicht-Veganerinnen).

Tipp: Mit Hilfe eines Still-Logbuches ein gutes Gefühl für die Stillfrequenzen entwickeln und dementssprechend vorsorgen z. B. mit einem Teller voll Obst- oder Gemüseschnitze sowie Nüsse. Die bereits während des Stillens oder gleich danach gegessen werden können.

Schlussendlich muss diese Entscheidung darüber, wie lange die Stillzeit andauert, immer individuell getroffen werden und zu den Bedürfnissen von Mutter und Kind passen. Aus einem schlechten Gewissen heraus und/oder mit Ungeduld oder einem gegenteiligen Gefühl zu stillen, wäre nicht authentisch und somit auch nicht gut für das Kind.

Autorin: Angela Schneider | Beitragsbild: gesehen in der „Eisperle“ in Hamburg-Alsterdorf, wo es ein wundervolles veganes Mango-Eis gibt 

Ganz lieben Dank Angela für diesen tollen Beitrag. Und Danke auch für deine Freundschaft und Hilfe in allen Lebenslagen.

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